Stell dir vor, du schreibst einen Liebesbrief. Ganz klassisch mit der Hand, auf gutem Papier, den du dann in einen Briefumschlag steckst und zur Post bringst. Die nächsten Tage wartest du dann darauf, dass ihn endlich dein Herzensmensch in der Hand hält und liest – nur wird er zwischenzeitlich noch von Postangestellten geöffnet und überprüft, ob du eventuell kinderpornografische Inhalte verschickt hast.
Eine ziemlich unangenehme und etwas absurde Vorstellung oder?
Aber nehmen wir jetzt an, der Liebesbrief wäre nicht mit der Hand geschrieben, sondern wäre eine romantische Videobotschaft über Telegram oder eine lange Textnachricht über Signal, könnte diese Vorstellung bald Realität werden.

Denn die EU will Tech Unternehmen wie Whats App, Signal und Telegram dazu zwingen, zukünftig die über ihre Dienste verschickten Nachrichten auf Kinderpronografie zu überprüfen.

Bereits für diesen Dezember war eine Vorstellung eines Gesetzesentwurfs geplant, der sich mit dem Thema Chatkontrollen beschäftigen sollte. Die Präsentation wurde jedoch verschoben und steht vermutlich für Anfang 2022 an. Der Titel der Gesetzesinitiative lautet: “Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern: Erkennung, Entfernung und Meldung illegaler Online-Inhalte”. Nähere Informationen sind leider noch nicht bekannt.

Was wir jedoch wissen ist, wie wichtig eine sichere Verschlüsselung ist, um die Vertraulichkeit deiner persönlichen Nachrichten und Dateien sicher zu stellen. Du allein sollst entscheiden können, wer deine Urlaubsbilder, Chats mit deiner Oma oder das Liebesgeständnis als Videobotschaft sieht.
Außerdem werben viele Messenger damit, wie gut ihre Verschlüsselung mittlerweile ist. Nur was nützt diese, wenn sie selbst die Nachrichten ihrer Nutzenden durchleuchten müssen und sie dafür Aufweichen müssen? Denn selbstverständlich können die Messnger-Anbieter nicht einfach die verschlüsselten Nachrichten mitlesen. Es gibt eben nicht nur “ein bisschen verschlüsselt”. Wenn bewusst eingebaute Hintertüren genutzt werden, wird das allgemeine Sicherheitsniveau des Nachrichtenverkehrs gesenkt. Denn jede eingebaute Schwachstelle kann auch von Dritten genutzt werden.

Doch müssen wir uns jetzt schlecht fühlen, weil wir weiterhin sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung fordern? Verhindern wir damit aktiv die Entdeckung von Weitergabe und Handel von Kinderpornografie?

Nein! Zielloses Rumstochern in den Nachrichten aller führt nicht zur Aufdeckung von mehr Straftaten. Es wird lediglich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung weiter untergraben. Es können nicht nur selektiv problematische Inhalte korrumpiert werden. Alle Nachrichten werden überwacht, ob es sich um Familienfotos vom Strand an die Großeltern handelt oder Minderjährige selbst untereinander Nachrichten im Rahmen von Sexting verschicken. Auch diese Bilder werden dann durchleuchtet und dringen in die Privatsphäre der Minderjährigen ein, die wir doch schützen wollen.

Hinzu kommt, dass vor allem Privatpersonen von diesen Kontrollen betroffen sein würden. Organisierte Gruppen, die mit kinderpornografischen Inhalten handeln wollen, sind nicht von Messengerndiensten wie WhatsApp abhängig, sondern können sich eigene digitale Infrastrukturen für ihre Kommunikation aufbauen. Im Ergebnis sind unsere Nachrichten unsicherer geworden und Nutzende werden durch False Positives fälschlicherweise verdächtigt. Selbst wenn der Algorithmus zu 99,9% richtig entscheiden sollte, werden immernoch täglich Millionen Fehleinschätzungen durch algorithmische Schwächen oder durch fehlenden Kontext passieren. Unter Einbeziehung des Datenschutzes werden die wenigen realen Fälle nicht mehr auffindbar sein. Das Einzige was bleibt ist ein weiteres stumpfes Überwachungswerkzeug und ein Einfallstor für Kriminelle und weitere Grundrechtseinschränkgen.

Mehr zum Thema könnt ihr in folgenden heise.de-Artikel nachlesen, der auch ein Interview mit dem Europaabgeordnetet Patrick Breyer enthält: https://www.heise.de/news/Automatische-Scans-von-privaten-Nutzerinhalten-geplant-6266262.html

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